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Abstracts

Abstracts (in alphabetischer Reihenfolge der Referenten und Referentinnen)

 

Prof. Dr. Christoph Barmeyer / Prof. Dr. Eric Davoine

Lehrstuhl Interkulturelle Kommunikation, Universität Passau / Lehrstuhl Personal und Organisation, Universität Fribourg

Interkulturelle Synergie als ‘ausgehandelte” Interkulturalität: Der deutsch-französische Fernsehsender ARTE

Interkulturalität ist nicht nur problematisch, sondern kann auch als Ressource verstanden werden: Interkulturelle Synergie bezeichnet die Kombination und das Zusammenwirken verschiedenkultureller Personen mit unterschiedlichen Einstellungen, Werten, Denk- und Verhaltensweisen. Dabei weisen die hervorgebrachten Leistungen eine höhere Qualität auf, als die Summe individueller Aktionen. Synergie wird als kreative Synthese verstanden, als sozialer Prozess menschlicher Entwicklung. Sie entsteht durch kommunikative Handlungen verschiedenkultureller Interaktionspartner, wird also durch Kulturkontakt und wechselseitige Interpretations- und Anpassungsprozesse in spezifischen Kontexten, konstruiert bzw. ausgehandelt.
Aufgrund sich ergänzender Sichtweisen und Kompetenzen kann ein Mehrwert für die Organisation entstehen; interkulturelle Synergie versucht, kulturelle Vielfalt als Vorteil zu nutzen und Gegensätze als Ergänzung und Bereicherung zu verstehen. In diesem Beitrag wird auf der Basis einer empirischen Erhebung beim deutsch-französischen Fernsehsender ARTE in Straßburg, als „Laboratorium interkultureller Kommunikation“, gezeigt, wie neu ausgehandelte Modalitäten interkulturellen Arbeitens zu interkultureller Synergie führen können. Dabei werden verschiedene kontextbezogene Determinanten, die interkulturelle Synergie begünstigen, präsentiert und diskutiert.

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Prof. Dr. Elisabeth Beck-Gernsheim

Gastprofessorin, NTNU / Universität Trondheim

Auf dem Weg in die bunte Republik Deutschland - Mythen, Missverständnisse, Realitäten

Es gibt heute zahllose Untersuchungen, Kommissionen, Medienberichte, die sich mit dem Thema „Migranten in Deutschland“ befassen und dazu Informationen anbieten. Doch das Bild über „die Ausländer“, das dabei transportiert wird, weist viele Vereinfachungen auf, auch charakteristisch Auslassungen und Lücken. Sie erzeugen eine Folklore des Halbwissens, die sich immer wieder fortschreibt und selbst bestätigt.
Von solchen typischen Vereinfachungen und den politischen Folgen, die darin angelegt sind, handelt der Vortrag. Dazu sollen zwei Beispiele vorgestellt werden: zum einen der „Exoten“-Blick, das heißt die Dramatisierung des Fremden und Anderen; zum anderen der „Problem“-Blick, das heißt die Konzentration auf Schwierigkeiten, Defizite, Konflikte.

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Prof. Dr. Jutta Berninghausen

Konrektorin, Internationales Hochschule Bremen

Diversity Management an Hochschulen – Verschiebung des Blickwinkels von Mobilität zu Interkulturalität

Unter dem Blickwinkel von Diversity Management muss die klassische Internationalisierungstrategie von Hochschulen überdacht werden. Ein hoher Grad an Internationalisierung ist ein notwendiges aber kein ausreichendes Kriterium für ein gelungenes Management von kultureller Vielfalt. Anstelle der traditionellen Förderung von Mobilität und der Betreuung ausländischer Studierender müssen im Rahmen des Diversity Managements Strategien für das Miteinander auf einem zunehmend multikulturellen Campus entwickelt werden, in die alle Studierende einbezogen werden.
Zunächst einmal gilt es, den vorhandenen interkulturellen Erfahrungsschatz aller Studierenden zu identifizieren, zu fördern und zielgerichtet zu nutzen. In den zunehmend kulturell gemischten Hochschulen von heute ist es unerlässlich, sich mit unterschiedlichen Lehr und Lernkulturen auseinander zu setzen. Hierfür werden in der Präsentation Beispiele und Lösungsvorschläge gegeben, auch für ein systematisches Diversity Monitoring.

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Prof. Dr. Jürgen Bolten

Fachgebiet Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Vom multikulturellen Nebeneinander zum interkulturellen Miteinander: Wandlungen des Diversity-Verständnisses

Die Art und Weise, mit Diversity umzugehen, sie zu ‚managen’, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach verändert. Die Entwicklung lässt sich in Analogie zu Interpretationen des aktuellen Globalisierungsprozesses und der fortschreitenden Dekonstruktion kultureller Homogenitätsprämissen vor allem im euro-amerikanischen Raum in drei – einander überlappende – Phasen unterteilen: Erstens eine Kohärenz- bzw. Homogenisierungsphase, die bis zu den frühen 90er Jahren dominierte, zweitens eine Differenzierungs- bzw. Fragmentierungsphase mit Schwerpunkten in den 90er/00er Jahren, und drittens eine Phase der Modularisierung und kohäsiven Vernetzung von Diversity-Potentialen, die sich gegenwärtig stärker zu konturieren beginnt.
Eine weitere Analogie besteht in Hinblick auf Entwicklungen des politischen und gesellschaftlichen Multikulturalitätsverständnisses, wie sie sich im gleichen Zeitraum in Deutschland vollzogen haben: Während Multikulturalität zunächst zwar toleriert, aber eher in Abgrenzung zu der (vermeintlich homogenen) Mehrheitsgesellschaft definiert wurde, ging es in der zweiten Phase weniger um die Legitimität von Multikulturalität als um deren - politisch korrekte - Festschreibung im Sinne der Sicherung friedlicher Koexistenz. Erst aktuell wandelt sich das in diesem Zusammenhang offenkundig vorherrschende Strukturverständnis von Multikulturalität in ein Prozessverständnis von Multikulturalität. Es geht gerade darum, das Nebeneinander der Vielen in ein handlungsorientiertes Miteinander zu transformieren – auf der Basis von Reziprozität und Kollaboration: Wird in diesem Sinne zielorientiert etwas ‚gemeinschaftlich gemacht‘ (= lat: communicare), sprechen wir nicht mehr von Multi-, sondern von Interkulturalität.
Die Herausarbeitung und Diskussion von Paradigmenveränderungen, die in den vergangenen Jahren den Weg von einem multikulturellen zu einem interkulturellen Umgang mit Diversity geebnet haben, steht im Zentrum des Beitrags. Er schließt ab mit einem Plädoyer für einen interkulturell-dialogischen Umgang mit „Diversity“, der Impulse geben kann, um Vielfalt im Sinne der Prämisse „Be yourself, but let’s collaborate“ als eine aktive Form des Miteinander, des kohäsiven Vernetzens zu initiieren.

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Dr. phil. Elke Bosse / M.A. Ioulia Grigorieva

Institut für Interkulturelle Kommunikation, Universität Hildesheim

Internationalisierung und Diversity als Leitlinien in Hochschulpolitik und -entwicklung

Während Interkulturalität im Zuge der hochschulpolitischen Diskussion um Internationalisie­rung an Bedeutung gewonnen hat, spielt kulturelle Diversität im Zusammenhang von Strategien des Diversity Managements an Hochschulen eine zunehmend wichtige Rolle. So wird einerseits die vornehmlich auf Mobilität und grenzüberschreitende Kooperation ausgerichtete Internationalisierung von Hochschulen vermehrt durch interkulturelle Qualifi­zierungs­angebote begleitet. Andererseits reiht sich kulturelle Diversität in die Aspekte von Vielfalt ein, die insbesondere bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung von Studienerfolgschancen und Bildungsgerechtigkeit verstärkt Berücksichtigung finden. An vielen Hochschulen handelt es sich dabei um zwei voneinander getrennte Aktionsfelder, die in unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche fallen, so dass Synergiepotentiale oft ungenutzt bleiben.
In unserem Beitrag gehen wir zunächst der Frage nach, was beide Diskussionsstränge im Einzelnen auszeichnet, um anschließend Gemeinsamkeiten und Verbindungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Nach einem Blick auf allgemeine Entwicklungstrends in der Hochschulland­schaft wenden wir uns dem Projekt „Qualifizierung für interkulturelle Kommunikation in Lehre, Beratung und Forschung“ (qualiko LBF) zu, das sich mit hochschuldidaktischen Weiterbildungs- und Vernetzungsangeboten an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Hildesheim richtet. Am Beispiel von qualiko LBF veranschaulichen wir zum einen, wie der Umgang mit kultureller Diversität im Rahmen interkultureller Trainings behandelt werden kann. Zum anderen stellen wir Veranstaltungsformate vor, die kulturelle Vielfalt in Verbindung mit weiteren Diversitätsaspekten thematisieren. Projektbegleitend erhobene Daten sollen dabei Einblick geben, auf welche Resonanz die entwickelten Maßnahmen bislang gestoßen sind.

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Dipl.Psych. Michael Brenker / Prof. Dr. Stefan Strohschneider

Fachgebiet Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Umgang mit kultureller Heterogenität an Bord von Schiffen

Kaum eine Branche hat einen so hohen Grad an nationalkultureller Heterogenität erreicht wie die internationale Seefahrt, so dass die zurzeit etwa 1.2 Millionen aktiven Seefahrer als Repräsentanten einer der ersten vollständig globalisierten Branchen der Welt betrachtet werden müssen. Der Umgang der Seefahrtbranche mit kultureller Heterogenität und deren Auswirkungen auf den Alltag der Besatzungen an Bord stellen demnach relevante und interessante Forschungsgegenstände dar.
Von Seiten der Seefahrtindustrie wird das Thema der kulturellen Heterogenität aus Zeit- und Kostengründen überwiegend ignoriert. Dabei ist längst bekannt, dass selbst elementare Kommunikation durch fehlende englische Sprachkompetenz erschwert wird und soziale Aspekte des Zusammenlebens stark vernachlässigt werden.
Die Seefahrtsindustrie vertraut im Umgang mit diesen Herausforderungen auf den Einsatz einer höchstmöglichen Standardisierung: Angefangen bei den zentralen Rollen und Aufgaben an Bord eines Schiffes, über Vorschriften für spezifische alltägliche Arbeitsvorgänge bis hin zur Kommunikation mittels standardisierter Phrasen unterliegt die Zusammenarbeit und Ausbildung der Crews einem hohen Grad an Standardisierung, der den Normalbetrieb eines Schiffes sicherstellen soll. Standardisierungen kommen jedoch an ihre Grenzen im sozialen Zusammenleben von Menschen: Standardisierte Phrasen ermöglichen kaum eine alltägliche Kommunikation oder verhindern die soziale Isolation einzelner Crewmitglieder.
Es stellt sich die Frage, inwiefern ein solcher Umgang mit Heterogenität die Bildung effektiver Teams erlaubt, die auch in kritischen Situationen erfolgreich zusammenarbeiten können. Dementsprechend wird vorgeschlagen, Vorbereitung auf die Zusammenarbeit in heterogenen Teams sowie Aspekte des Teambuildings (Wissen und Methoden) in Ausbildungscurricula zu integrieren.

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Ph.D. Birgit Breninger / MSc. Thomas Kaltenbacher

Intercultural Competence (ICC), University of Salzburg / Department of Linguistics, University of Salzburg

The ‘Cognitive Capitalists’ at Work – Tracking Stereotypic Category Activation and Attenuation to foster Intercultural Competence in the Business Context

After almost forty years of intense research into the field of leadership and diversity, instigated to change the face of business and by extension leadership, we hypothesise that nowadays the leadership role is seen in an unbiased way in regard to race and gender.
Based on the assumption that stereotypes reflect our momentary attitudes, we have combined several types of indirect measures (reaction time and affective priming measures with lexical decision measures) and used certain effects (as, e.g.: the gaze cascade effect) in our eyetracking study, to track the subtype of Muslim businesswoman. In this study we have tested whether stereotypes towards successful leadership of women with diverse cultural and religious backgrounds are stereotyped in certain ways and whether or not we do face a ‘second wave of racism’ more subversive and subtle in the business context.
Since socio-cultural contexts strongly influence perception and cognition, category activation should also be attenuated or even eliminated when perceivers have been motivated to avoid categorical thinking – but what if the effect doesn’t last for very long? How can we deal with certain ‘rebound’ effects in intercultural trainings and more generally how do we face and address this new challenge that ‘post-modern racism’ poses? We are going to present the data of this study and discuss implications for the global market and the field of interculturality in the business context.

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Prof. Dr. Dominic Busch

Professur für interkulturelle Kommunikation und Konfliktforschung, Universität der Bundeswehr München

Was, wenn es die Anderen gar nicht interessiert? Überlegungen zu einer Suche nach nicht-westlichen Konzepten von Interkulturalität und kultureller Diversität

Interkulturelle Kommunikation und kulturelle Diversität sind als Begriffsgegenstände diskursive Produkte westlicher Gesellschaften. Auch wenn Kulturen grundsätzlich in einem permanenten gegenseitigen Austausch untereinander stehen, sollen daher in diesem Beitrag Antworten auf die eventuell naive Frage angedacht werden, wie unterschiedliche Kulturen mit Gegenständen interkultureller Kommunikation umgehen. Auf der Grundlage einer entsprechenden Literatursichtung können folgende erste Einblicke vollzogen werden:

1. Die Literaturlage ist überaus dürftig, und „kulturgenuine“ Autoren als Vertreter nicht-westlicher Kulturen nur schwer zu identifizieren.
2. Viele Texte, die vorgeben, sich mit fremdkulturellen Konzepten zu beschäftigen, tun dies dennoch lediglich durch die Anwendung westlicher Beschreibungsmodelle.
3. Für zahlreiche nicht-westliche Kulturen wird immer wieder postuliert, dass in ihnen ein interkulturelles Zusammenleben selbstverständlich ist, so dass weitere präzise Einblicke entfallen.
4. Aus westlicher Sicht werden in anderen Kulturen vielfach Konzepte identifiziert, die als nationalistisch und nicht für verständigungsfördernde Dialoge geeignet eingestuft werden.
5. Wird trotz allem ein kleinster gemeinsamer Nenner globaler Konzepte interkultureller Kommunikation versucht, so fällt dieser oft so allgemein aus, dass mit ihm nicht mehr operiert werden kann.
6. Dekonstruktivistisch motivierte Zweifel an den Konzepten von Interkulturalität und kultureller Differenz entpuppen sich als kulturelles Spezifikum Westeuropas, das von keiner anderen Kultur oder Region mit getragen wird.

Auf die eingangs formulierte Frage nach kulturspezifischen Konzepten interkultureller Kommunikation kann keine unmittelbare Antwort gefunden werden. Stattdessen erweisen sich die analysierten Begriffe auch auf globaler Ebene als Ausdrücke von Hegemonie- und Interessenbekundungen innerhalb situativer Machtasymmetrien. Ähnlich wie auch in innergesellschaftlichen Migrationskontexten kann auch der globale Diskurs um interkulturelle Kommunikation demnach zuvorderst als ein Austragungsfeld politischer Orientierungen und Handlungen verstanden werden, die wissenschaftlich auch als solche und grundsätzlich kontextabhängig beschrieben werden können.

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Dr. Jinchul Choi

Department of European Studies, Korea Maritime University

Coping with Cultural Risks in Multinational Companies: An Exploratory Case Study of a European Multinational Company in South Korea

In der globalisierten Weltwirtschaft und der eng verflochtenen Wirtschaftspraxis werden die interkulturellen Interaktionen und Praktiken zwischen anderskulturellen Akteuren immer gewöhnlicher. Insbesondere gelten multinationale Unternehmen (MNU) als „Speerspitze und Wegbereiter der Globalisierung“. Ihre ökonomische Macht beruht zu einem erheblichen Teil auf der Möglichkeit, sich den einengenden Ansprüchen des Nationalstaats entziehen zu können. Durch die wirtschaftlichen Entgrenzungsprozessen und die aktiven Tätigkeiten multinationaler Unternehmen wurde die Frage nach der Souveränität des Nationalstaates neu gestellt. Der größte Beitrag von Unternehmen ist wirtschaftliches Engagement in Entwicklungs- und Schwellenländern vor allem durch ausländische Direktinvestitionen (FDI). Als weltumspannende Netzwerke bilden MNUs „transnationale soziale Räume“, die den Mitarbeitern ganz neue Erfahrungs- und Idenfizierungsmöglichkeiten bereitstellen, da die Kontakte zwischen multinationalen Unternehmen eine räumliche und zeitliche Zusammenkunft ihrer Mitarbeiter erfordern, die vorher zumeist geographisch und kulturell völlig voneinander getrennt war.
Diese Aspekte wurden anhand einer Feldforschung in der südkoreanischen Niederlassung eines europäischen Großunternehmens in der Schiffbaubranche untersucht. Dabei geht es um die Frage, wie die interkulturelle Interaktion zwischen den Mitarbeitern in den europäischen Standorten und der koreanischen Tochtergesellschaft verläuft und wie die Mitarbeiter der südkoreanischen Niederlassung angesichts weltweit stark rückläufiger Auftragseingänge in der Schiffbauindustrie mit neuen Herausforderungen umgehen.

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M.A. Clara Epping / M.A. Miriam Morgan

Institut für Interkulturelle Kommunikation, LMU München

Interkulturalität im Elementarbereich: Überlegungen zur Relevanz des Feldes "Kindergarten" für die IKK

Auf Fachtagungen, in Einführungswerken und Forschungsarbeiten der Interkulturellen Kommunikation spielen Kinder und die Institution Kindergarten so gut wie keine Rolle – zu Unrecht, wie wir finden. Im Rahmen unseres Vortrages möchten wir daher die Relevanz dieses Feldes für Forschung und Praxis der Interkulturellen Kommunikation verdeutlichen. Die Situationsbeschreibung zeigt, dass kulturelle Diversität in deutschen Kindergärten schon oft der Normalfall ist. Die Zusammenarbeit mit Migrantenfamilien wird von Erziehern häufig als schwierig erlebt und auch die Gefahr von Integrationsschwierigkeiten der Kinder wird in der Forschungsliteratur beschrieben.
Im Rahmen unseres Vortrags möchten wir der Frage nachgehen, was Interkulturalität und kulturelle Diversität im Kontext der Institution Kindergarten bedeuten. Dabei berücksichtigen wir die folgenden Ebenen: Eltern – Erzieher; Erzieher – Kinder; Kind – Kind; das einzelne Kind „zwischen“ den Kulturen
Ausgehend von unseren eigenen Forschungen in Kindergärten und der bearbeiteten Literatur kommen wir zu dem Schluss, dass der Kindergarten verstärkt Arbeits- und Forschungsfeld der Interkulturellen Kommunikation sein sollte. Die (inter-)kulturelle Sensibilisierung von Erziehern und Eltern ist eine wichtige Aufgabe für die multikulturelle Gesellschaft, die nur in der Zusammenarbeit von Pädagogik und Interkultureller Kommunikation zufriedenstellend angegangen werden kann.

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Dr. Evelyne Glaser

Johannes Kepler Universität Linz

Ein neuer Ansatz für Interkulturalität im Studium

Trotz zahlreicher positiver Effekte von europäischen und internationalen Austauschprogrammen liegt eine ihrer Schwachstellen darin, dass die ausländischen Studierenden an den jeweiligen Partneruniversitäten für den Umgang miteinander häufig eine künstliche Drittkultur schaffen, und zwar eine Art „Multikulti“ Gemeinschaft mit eigenen Spielregeln und Normen, die weder jenen der jeweiligen Heimatkultur noch der Kultur des Gastlandes entsprech.
Für Austauschstudierende ist es meist schwierig, während ihres Auslandsaufenthaltes tatsächlich in die Zielkultur einzudringen, da dieser Weg viel mühsamer ist, als in der unkomplizierten Drittkultur der Austauschstudierenden zu verbleiben. Dies bewirkt häufig, dass sie mit einem völlig verzerrten Bild der Kultur des Gastlandes in ihre Heimat zurückkehren. Sie sind aber fälschlicher Weise davon überzeugt, diese Kultur nun zu kennen. Andererseits bildet sich eine solche Drittkultur im beruflichen Umfeld meist nicht, so dass selbst Absolventen mit Auslandsstudienerfahrung mit kulturellen Unterschieden nicht umgehen können.
Mit dem Ziel, Studierende tatsächlich zu befähigen in interkulturellen Kontexten zu leben und zu arbeiten, haben die Johannes Kepler Universität Linz, die University of Victoria in Kanada und die National Sun Yat-Sen University in Taiwan ein gemeinsames Programm auf Masterebene entwickelt, das die interkulturelle Handlungsfähigkeit der Teilnehmer täglich neu auf die Probe stellen soll, um damit ihre interkulturellen Fähigkeiten gezielt zu fördern. In diesem Programm entsenden die Partneruniversitäten eine annähernd gleiche Anzahl von Studierenden, die während eines gesamten Studienjahres ein gemeinsam entwickeltes Curriculum durchlaufen. Dieses führt sie für jeweils ca. drei Monate an jede der teilnehmenden Universitäten. In jedem Programmteil gibt es somit eine Gruppe von „Experten“ der jeweiligen Zielkultur, deren Aufgabe es ist, den anderen Teilnehmern im Programm ihre Kultur verständlich zu machen. Auch die Lehrenden stammen aus allen drei Kulturen und vermitteln durch ihre unterschiedlichen Unterrichtsstile die kulturspezifischen Unterschiede zwischen den Bildungssystemen und Kulturräumen. Durch den verstärkten Einsatz von Team- und Gruppenarbeiten sind die Teilnehmer gezwungen, ständig miteinander zu kommunizieren und Problemlösungsvorschläge zu erarbeite.
Dieser Beitrag möchte beleuchten, welche Vorkehrungen im Programm für die Förderung der interkulturellen Lernprozesse der Teilnehmer getroffen wurden. Gleichzeitig werden auch jene Bereiche aufgezeigt und theoretisch unterlegt, welche die größten Barrieren im Umgang mit Interkulturalität darstellen.

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Prof. Dr. Katharina von Helmolt / Prof. Dr. Nicola Düll / Dr. Begoña Prieto Peral

Hochschule München

Kulturelle Vielfalt als Chance und Herausforderung für die akademische (Weiter-) Bildung. Vorstellung eines Projekts zur empirischen Bildungsforschung

Migration und internationale Mobilität stellen Zuwanderungsgesellschaften vor die Herausforderung, kulturelle Vielfalt zu organisieren und im besten Falle produktiv zu nutzen.
Als Folge der demographischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und der vermehrten Abwanderung von Fachkräften werden MigrantInnen und ihre Nachkommen zunehmend als Ressource für die wirtschaftliche Entwicklung wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Initiative "Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen" gestartet, die durch die Entwicklung innovativer Bildungskonzepte zu einer erhöhten Durchlässigkeit des Bildungssystems und zur Inklusion neuer Studierendengruppen beitragen soll. Im Rahmen dieser Initiative führt die Fakultät für Studium Generale und Interdisziplinäre Studien der Hochschule München ein Projekt zur empirischen Bildungsforschung durch. Zielsetzung des Projektes ist es, spezifische Bildungsbedarfe von Personen mit Migrationshintergrund zu erheben und geeignete Bildungsformate zu entwickeln, um dieser Zielgruppe die Teilhabe an akademischer Bildung und damit den Zugang zu adäquaten Arbeitsplätzen zu ermöglichen und dabei Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenzen als Qualifikation zu würdigen und als Potenzial zu nutzen.
Im Vortrag sollen theoretische Voraussetzungen, methodische Vorgehensweisen und erste Ergebnisse explorativer Studien vorgestellt und diskutiert werden.

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Dr. Gundula Gwenn Hiller

Zentrum für Interkulturelles Lernen, Europa-Universität Viadrina / Frankfurt (Oder)

Kulturelle Diversität in der Hochschulkommunikation

Dieser Beitrag gibt einen Einblick in erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Diversität akademischer Wissenskulturen. Der Blick wird hierbei aus sprachwissenschaftlicher Perspektive auf kommunikative Schwierigkeiten gerichtet, die durch die Kollision unterschiedlicher akademischer Systeme, Diskursformen und Praktiken entstehen. Im Rahmen des Projekts soll anhand von empirischen Beispielen aus interkulturellen Interaktionssituationen wie Seminarkommunikation, Sprechstunden- oder E-Mail-Kommunikation aufgezeigt werden, mit welchen kommunikativen Herausforderungen Lehrende und Studierende im Hochschulalltag konfrontiert werden können (so z.B. durch fehlerhafte sprachliche Realisierungen von Anliegen, Fehlkommunikation, Missverständnisse etc.).
Für diesen Beitrag soll am Beispiel einer empirischen Untersuchung von E-Mail-Kommunikation zwischen Lehrenden und internationalen Studierenden (und umgekehrt) aufgezeigt werden, welches Missverständnispotential diese in der Hochschulkommunikation alltägliche und häufig verwendete Kommunikationsform in sich birgt. Der Korpus umfasst E-Mails, die von den an deutschen Hochschulen Lehrenden (oder deutschen Lehrenden im Ausland) als nicht angemessen, unhöflich, irritierend, nicht bearbeitbar oder einfach kurios angesehen wurden. Analysiert werden die Emails dahingehend, welche sprachlichen (und eventuell dem zugrunde liegenden kulturellen) Faktoren diesen Eindruck erzeugen. Es manifestieren sich hier eine Reihe von sprachlichen Fehlhandlungen, die zwar teilweise auch auf Unsicherheiten mit der benutzten Fremdsprache (in den hier genannten Beispielen deutsch und englisch) zurück geführt werden können, oder auch auf fehlende Normen für das relativ junge Medium E-mail. Andererseits lassen hinter diesen sprachlichen Äußerungen auch kulturell bedingte Unterschiede in Bezug auf kommunikative Handlungen, Einstellungen oder auch Erwartungen in Bezug auf Studium und Lehrpersonen vermuten. Dazu gehören z.B. das Rollenverständnis von Studierenden/Lehrenden, die Fehleinschätzung von hierarchischen Beziehungen, Formen der Wissensvermittlung und -aneignung oder auch Erwartungen an die Institution Hochschule.
Anhand dieser empirischen Beispiele wird somit aufgezeigt, wie die durch die Internationalisierung immer mehr zunehmende Diversität an Hochschulen die Hochschulkommunikation aus interkultureller Perspektive ein interessantes, bislang weitgehend unerforschtes Praxisfeld darstellt. Insgesamt möchte das hier in einem Teilausschnitt vorgestellte Forschungsprojekt neue Erkenntnisse zur Entwicklung und Vertiefung einer interkulturellen Hochschuldidaktik leisten, die der Diversität in der deutschen Hochschullandschaft Rechnung trägt.

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Prof. Dr. Volker Hinnenkamp

Sozial- und Kulturwissenschaften, Hochschule Fulda University of Applied Sciences

Interkulturalität als Ressource und Potenzial im Studienalltag im internationalen Masterstudiengang ICEUS

Es besteht der Anspruch, die kulturelle Diversität und Heterogenität der vielen unterschiedlichen Nationalitäten, die im internationalen zweisprachigen Master-Studiengang ICEUS (Intercultural Communication and European Studies) an der HS Fulda studieren, gerade auch in Verbindung mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Interkulturalität zu nutzen und fruchtbar zu machen. Die Thematisierung erlebter, wahrgenommener oder auch erlittener Differenz ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Was "frontstage" in theoretischen oder konzeptuellen Begrifflichkeiten gelernt und diskutiert wird, erlebt "backstage" auf der Folie von unterschiedlichen Lernbiografien und Gruppenprozessen eine völlig andere Dynamik. Ich werde im Vortrag aufzeigen, wie das Beispiel "Gruppenarbeit" als ein interkulturell neuralgischer Punkt zu einem interkulturellen Potenzial werden kann.

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Prof. Dr. Adelheid Iken

Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

‚Einheit in der Vielfalt oder was bedeutet für uns kulturelle Diversität?‘

Hafenstädte sind dafür bekannt, dass sie Menschen unterschiedlicher Nationen anziehen und Hamburg ist hier keine Ausnahme. Der Anteil der Bevölkerung mit einem sogenannten Migrationshintergrund1 liegt bei ca. 29% und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 18% (http://www.hamburg.de/migration/). Fast die Hälfte (48%) der Kinder unter 6 Jahren fielen laut Mikrozensus 2005 in die Kategorie Ausländer (11,2%) oder in die Kategorie ‚Deutsche mit Migrationshintergrund‘ (36,8%). Auch in der Zusammensetzung der Studierenden an den Hochschulen spiegelt sich diese Vielfalt wider, die zudem durch vielfältige europäische Mobilitätsprogramme und Kooperationen mit ausländischen Hochschulen in besonderer Weise gefördert wird. Das Thema ‚kulturelle Vielfalt‘ ist entsprechend auch an den Hochschulen angekommen, auch wenn dort die Chancen, die damit verbunden sind, vielfach noch nicht wahrgenommen werden.
In dem hier vorzustellenden Projekt wird ganz bewusst die Perspektive der Studierenden in den Blick genommen und es wird der Frage nachgegangen, was kulturelle Vielfalt aus der Sicht der Studierenden bedeutet und wie sie damit umgehen Dabei ist ganz bewusst eine narrative Herangehensweise gewählt worden. Indem die Studierenden im Kontext ihrer Biografien, Lebenssituation und ihrer Herkunft erzählen und berichten, entstehen von insgesamt 15 bis 20 Studierenden und Absolventen kurze Geschichten. Diese Geschichten zeigen in eindrucksvoller und authentischer Weise die Themen, Problemfelder und Chancen, die sich für die Studierenden aus der kulturellen Vielfalt ergeben. Die Geschichten der Studierenden tragen aber auch dazu bei, sich dem Thema in seiner eigenen Vielfältigkeit zu nähern.
Mit dem Projekt soll das Thema ‚Kulturelle Vielfalt‘ nicht nur den Facettenreichtum dieser Vielfalt zum Ausdruck bringen. Es soll dazu beitragen, dass das Thema auf den verschiedenen Ebenen der Hochschule für Angewandte Wissenschaften stärker wahrgenommen und diskutiert wird, damit die Potenziale, die damit verbunden sind, besser wertgeschätzt werden können, ohne dabei aber die Anstrengungen zu ignorieren, die notwendig sind, um von dieser Vielfalt auf allen Ebenen auch profitieren zu können. Somit stellt das Projekt auch eine Grundlage für ganz konkrete und weiterführende Maßnahmen der Lehr- und Hochschulentwicklung dar. Im Rahmen der Tagung möchte ich das Projekt vorstellen, die Themenfelder skizzieren, die in den Geschichten besonders zum Tragen kommen, beispielsweise das Thema der Fremd- und Eigenwahrnehmung, der Identität oder der ‚Kulturalisierung‘ durch Außenstehende sowie Ansätze für konkrete Maßnahmen aufzeigen, die sich aus den Geschichten ergeben.

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Prof. Dr. Elias Jammal

Orient Institut für Interkulturelle Studien (OIS), Hochschule Heilbronn

Kultur, Vielfalt und Lebenswelt

Dieser Vortrag ist der Grundlagenforschung zuzuordnen. Er soll zum besseren Verständnis der Vielfaltsdimensionen sowie zur Trennschärfe der Begriffe Lebenswelt und Kultur beitragen.
In der Literatur werden mehrere Vielfaltsdimensionen angegeben und häufig wird zwischen primären (Alter, Gender etc.) und sekundären (Familienstand, Einkommen etc.) Dimensionen unterschieden. Üblich geworden ist auch die Unterscheidung zwischen internen (Alter, Gender, etc.), externen (Familienstand, Einkommen etc.) und organisationalen (Arbeitsinhalt, Einstufung etc.) Dimensionen.
In einigen Veröffentlichungen von „Interkulturalisten“ wird von Kultur als Lebenswelt gesprochen. Ausgehend von James, Bergson, Dewey, Husserl und Whitehead bezeichnet Schütz die Lebenswelt als „the common-sense knowledge of everyday life“. Klaus P. Hansen spricht von Kultur als Kollektiv und meint damit die Standardisierungen bzw. das Selbstverständliche der Kommunikation, des Denkens, des Fühlens und des Handelns.
Da davon auszugehen ist, dass der Begriff der Kultur bzw. der Begriff der Lebenswelt (oder des Kollektivs) so etwas wie Vielfalt zumindest nicht ausschließen darf, stellt sich die Frage, ob und was die Vielfaltsdimensionen mit den Strukturen der Lebenswelt zu tun haben, die vor allem Alfred Schütz und Thomas Luckmann analysieren. Am Rande soll auch geklärt werden, wie die Begriffe der Lebenswelt und des Kollektivs auseinanderzuhalten sind. Dies sind die Hauptfragen des Vortrags.

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Prof. Dr. Rainer Leenen

Institut für Interkulturelle Bildung und Entwicklung, Hochschule Köln

Probleme interkultureller Qualifizierung und der Förderung kultureller Diversität in der Polizei

Der Arbeitstitel des Vortrags bezieht sich auf ein dreijähriges (2010-2012) Kooperationsprojekt der Fachhochschule Köln mit dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP), das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gefördert wurde. Generelles Ziel des Kooperationsprojekts war eine Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken kultureller Diversität innerhalb der Organisation als Ergänzung zu bereits bestehenden Ansätzen der Förderung interkultureller Kompetenzen. Ein strategisch-konzeptionelles Ergebnis des Projektes war die Formulierung einer für die Organisation Polizei passenden Diversitätsstrategie. Zu den praktischen Ergebnissen zählen neu entwickelte Fortbildungsmodule zu Diversitäts-Themen aus der Sicht von Führungskräften und aus Kollegensicht, für die auch besondere Vermittlungsmethoden und Kurzfilme entwickelt wurden.
Der Vortrag soll auf folgende Fragen näher eingehen:
Wie lassen sich interkulturelle Kompetenzansätze und Diversitätsansätze in ein Stufenmodell interkultureller Organisationsentwicklung der Polizei einordnen?
Mit welchen Argumenten der ik Personal- und Entwicklungsberatung wird derzeit generell für eine Steigerung der kulturellen Diversität von Organisationen plädiert?
Worin bestehen Besonderheiten der Organisation Polizei, aus denen auch bestimmte Abwehrreflexe gegenüber Diversitätsherausforderungen resultieren?
Wie sieht eine Strategie des Umgangs mit kultureller Diversität aus, die der besonderen Situation von Polizeiorganisationen Rechnung trägt?

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Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink

Lehrstuhl für Romanische Kulturwissenschaft und Interkulturelle Kommunikation, Universität Saarbrücken

Diversität und (Re)Ethnisierung. Diskursanalyse sozio-kultureller Fragmentarisierung in zeitgenössischen okzidentalen Gesellschaften

Der geplante Beitrag verfolgt die erstens die Zielsetzung, die Semantik und Pragmatik von Identitätsbegriffen und Identitätszuschreibungen, die in der gegenwärtigen Diskussion in Europa, aber auch in Nordamerika, vor allem in Kanada, um „Diversity“ und „Multikulturalität“ (sowie die „Krise der multikulturellen Gesellschaft“) eine zentrale Rolle spielen, in diskursanalytischer Perspektive zu erfassen und zu analysieren. Die Grundlage hierfür bildet eine exemplarische Untersuchung des politischen und des publizistischen Diskurses über das umrissene Begriffsfeld in Deutschland, Frankreich und Kanada seit 2010. Zweitens zielt der Vortrag darauf ab, die u.a. von dem französischen Anthropologen Jean-Loup Amselle (L’Ethnisation de la France, 2011) und dem französischen Politikwissenschaftler Gilles Kepel (Quatre-Vingt-Treize, 2012) festgestellten Tendenzen einer ‚Re-Ethnisierung’ der französischen Gesellschaft (und m.E. auch anderer westeuropäischer Gesellschaften) anhand eines diskursanalytischen Ansatzes zu überprüfen. Drittens sollen die Konsequenzen der Renaissance ethnisch begründeter Identitätskonzepte in okzidentalen Öffentlichkeiten für die Sichtweise und Konzeption interkultureller Kommunikationsprozesse untersucht werden, die – zumindest tendenziell – der These einer zunehmenden ‚Interkulturalisierung’ okzidentaler Gesellschaften und Kulturen zuwider zu laufen scheinen.

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Prof. Dr. Ram A. Mall

LMU München, (Abstract folgt demnächst)

Die Frage ist nicht, wie man Differenzen aus der Welt schafft, sondern wie mit ihnen umgegangen wird - Betrachtungen aus interkultureller Sicht

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Dr. Martina Maletzky

Ruhr-Universität Bochum

Interkulturalität und interkulturelle Interaktion: Brückenbau, Dialog oder Aushandlungsprozess im sozialen Kräftefeld?

Interkulturalität und kulturelle Diversität sind Schlagworte der modernen Gesellschaft geworden. Gerade in der populärwissenschaftlichen Managementforschung wird kulturelle Diversität aufgrund ihres vermeintlichen Innovationspotenzials als erstrebenswert propagiert. In verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen sind Regale von Beiträgen, Analysen und Praxisleitfäden verfasst worden, die sich mit dem Thema beschäftigen, dessen Herausforderungen analysieren, konzeptualisieren und daraus Handlungsempfehlungen zum Umgang mit kultureller Diversität ableiten.                                                                                           
Forschung zu interkultureller Interaktion lässt sich grob in zwei dominante Stränge einteilen: Ein Strang ist stark kommunikationswissenschaftlich orientiert während der andere in eine positivistisch-essentialistische wirtschaftswissenschaftliche Forschung eingebettet ist, die oftmals atheoretisch ist. Hier dominiert die kulturvergleichende Forschung, die überwiegend von einem statischen Kulturkonzept ausgeht, wie etwa das des Hofstedeschen „Software of the Mind“. Unter diesen Prämissen wird versucht eine begrenzte Anzahl von meist dichotomen Kulturvariablen zu erheben und die Unterschiede in diesen statistisch zu erfassen. Von diesen Unterschieden werden Handlungsempfehlungen im Sinne von Do‘s and Dont’s für einen Aufenthalt im Ausland abgeleitet. Kommunikationsorienterte Forschung analysiert Kommunikationsbarrieren und Missverständnisse. Interkulturalität wird meist mit dem Überwinden einer Barriere zwischen den Kulturen gleichgesetzt, was eine Statik impliziert, die in der neuren Kultur- und Identitätsforschung hinterfragt wird. Akteure, die in interkulturellen Kontexten interagieren und navigieren werden mit vielfältigen Metaphern versehen. So zum Beispiel der Auslandsentsendete als Brückenbauer, Übersetzer, etc.
Vernachlässigt werden in beiden Strängen (soziale) Kontextfaktoren, die die Interaktion beeinflussen. Daran anknüpfend plädiert der Beitrag für eine sozialwissenschaftliche Sichtweise auf interkulturelle Interaktion und geht davon aus, dass diese mehr ist als ein Dialog, sowie ein Überwinden kultureller Unterschiede bzw. ein Brückenschlag über mögliche Diskrepanzen. Im Einklang mit der Grundidee, dass Akteure nicht von Ihrer Kultur deternminiert sind, wird davon ausgegangen, dass sich im Interaktionsprozess alternative Handlungsmuster herausbilden können. Es wird argumentiert, dass Theorie und Forschung zu Interkulturalität stärker in sozialwissenschaftliche Denkweisen und Theorien eingebettet werden muss. Wichtiger Ausgangspunkt ist hierbei, zu verstehen, was die Interaktion beeinflusst um zum Beispiel negative oder auch positive Effekte von kultureller Diversität in verschiedensten Kontexten ausmachen und ggf. ausschöpfen zu können. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, die Entstehung und den Umgang mit Interkulturalität als einen sozialen Prozess zu verstehen. In Anlehnung an die Strukturationstheorie von Antony Giddens, wird dieser Prozess konzeptualisiert und ein Analyserahmen vorgestellt, der helfen soll interkulturelle Interaktion sozialwissenschaftlich zu erfassen. Wichtig ist es hierbei hervorzuheben, dass Interkulturaliät nicht (wie fast durchgaengig üblich) als ein machtfreier Prozess verstanden werden kann, sondern in das jeweilige soziale Kräftefeld eingebettet ist, in dem die Interaktion statt findet. Dies zu verstehen und im Einzelfall zu analysieren kann sowohl für die Wissenschaft als auch die (unternehmerische) Praxis hilfreich sein, um positive Effekte von kultureller Diversität produktiv zu kanalisieren und negative Effekte durch kontextuelle Weichenstellung gering zu halten.

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PD Dr. phil. habil. Irina Mchitarjan

Universität Greifswald

Interkulturalität und kulturelle Diversität: Die Perspektive der Theorie der Kulturtransmission bei soziokulturellen Gruppen

These meines Vortrags ist: Ein besseres theoretisches Verständnis der Interaktion zwischen unterschiedlichen soziokulturellen Gruppen kann sowohl für die Analyse von interkulturellen Kommunikationsprozessen und die Bewältigung von Problemen bei der interkulturellen Kommunikation, als auch für die Nutzung der kulturellen Diversität als Ressource hilfreich sein. Zum Beleg dieser These stelle ich eine kürzlich entwickelte Theorie der Kulturtransmission bei soziokulturellen Gruppen vor und diskutiere ihre Implikationen für die Theorie und Praxis der interkulturellen Kommunikation und die Nutzung von kultureller Vielfalt.
Die Theorie der Kulturtransmission bei soziokulturellen Gruppen verbindet den handlungstheoretischen Erklärungsansatz in der Soziologie und Sozialpsychologie mit einer Theorie der kulturellen Evolution. Eine zentrale Annahme der Theorie lautet, dass soziokulturelle Gruppen ein in der kulturellen Evolution entstandenes Kulturtransmissionsmotiv haben. Durch diese und weitere Annahmen kann die Theorie eine Reihe von Phänomenen erklären, die in kulturell heterogenen Gesellschaften auftreten und die von alternativen theoretischen Ansätzen nicht berücksichtigt werden oder nicht einfach erklärt werden können.
In meinem Vortrag stelle ich zuerst die Theorie der Kulturtransmission vor und diskutiere dann einige Implikationen der Theorie für die zwei Schwerpunkte der Tagung. (1) Im Bereich der interkulturellen Kommunikation ergänzt die Theorie der Kulturtransmission die bereits vorliegenden Erklärungsansätze, indem sie ein tieferes Verständnis bzw. eine umfassendere Erklärung einiger der im Kontext der interkulturellen Kommunikation auftretenden Phänomene liefert. (2) Im Bereich der gewinnorientierten Nutzung von kultureller Diversität kann die Kulturtransmissionstheorie u. a. die Frage beantworten, warum in den modernen Gesellschaften die interkulturelle Öffnung von Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Behörden etc. gefördert wird und warum dies die kulturelle Identität der Mitglieder der betroffenen Gesellschaften in der Regel nicht beeinträchtigt.

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Onur Suzan Kömürcü Nobrega

Medien und Kommunikationswissenschaften am Goldsmiths, University of London

Managing emotions: Artistic Labour and Cultural Diversity in the Arts

The Ballhaus Naunynstrasse is celebrated as one of the most successful off-theatres in Berlin and described by cultural policy representatives and the media as a “best practice model” for cultural diversity in the arts. In the wake of this success however, the artists of the Ballhaus Naunynstrasse have faced many questions as to how and why this success has been achieved. These questions have ranged from the perceived current popularity of the topic of migration and diversity and accusatory claims that this has subsequently led to making it easier for artists with a migration background to play the migrant card and that this situation in turn has led to increased opportunities to receive funding for cultural diversity projects. In addition there have been such questions as: “Aren’t German artists more disadvantaged nowadays than you are?” and “are not all artists poor?” As a response to this and to follow Hans Abbing’s catchy question Why are Artists Poor? The Exceptional Economy of the Arts (1999), this paper engages with why some artists are more precarious than others by looking at cultural diversity within the “exceptional economy of the arts” as an “affective economy” (Ahmed, 2004; Grossberg, 1987). According to Lawrence Grossberg, affective economies “articulate affective struggles into a limited set of structures” (Grossberg, 1987: 41). In the case of the Ballhaus Naunynstrasse artists, this paper looks precisely at the structural boundaries of these artists and how their affective struggles are experienced and articulated. By using Arlie Hochschild’s influential work on how emotions and labour relate to one another (Hochschild, 1983) this paper describes how the Ballhaus’ artists deal with the costs as well as the benefits of managing emotions in relation to experiences of racialised labour divisions and precarious labour conditions in the arts.

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Prof. Dr. Matthias Otten

Fachgebiet Politikwissenschaft und Interkulturelle Bildung, Fachhochschule Köln

Transitorische Diversität: Inklusion und Diversitätserleben von Menschen mit Behinderungen in Programmen der internationalen Bildungsmobilität

Der Beitrag skizziert konzeptionelle Begründungen und methodische Vorüberlegungen zu einer Forschungsinitiative, mit der ausgewählte EU-Mobilitätsprogramme im Bildungsbereich und die damit intendierten Partizipations- und Lernerfahrungen untersucht werden sollen. Der interdisziplinäre Erkenntnisfokus liegt auf dem „Zusammenspiel“ von strukturellen Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen einerseits und der subjektbezogenen Diversitätskonstitution im Zuge internationaler Bildungserfahrungen andererseits. Dabei sollen einerseits die Programmstrukturen im Hinblick auf ihre inklusionspolitischen Implikationen untersucht werden, andererseits geht es aber auch um die individuelle Selbstwirksamkeit und Subjektentwicklung mobilitätsinteressierter junger Menschen mit Behinderungen.
Der zentrale Arbeitsbegriff „transitorische Diversität“ orientiert sich an der Idee der transitorischen Identität und soll vor dem Hintergrund der kulturwissenschaftlich informierten Disability Studies auf ein theoretisches und empirisches Desiderat hinweisen. Bei dessen Erforschung muss zunächst offen bleiben, welche Differenzlinien bei internationalen Bildungserlebnissen unter besonderen biografischen Voraussetzungen aufgerufen, aktualisiert und verändert werden und wie sich dies dann auf subjektive Diversitätskonstitutionen (z.B. soziales Kompetenzerleben, Stigmabearbeitung, Resilienz und Balance von Normalisierung und Normierung) auswirkt. In methodologischer Hinsicht gilt es dabei angemessene Wege für eine konsequente partizipative Inklusionsforschung zu finden.

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Dr. Michael Poerner

Fachgebiet Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Universität Mainz und Dozent an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Hochschule Bremen

Chinesisches Kulturdurcheinander – Perspektiven kultureller Übersetzung in ökonomischen Handlungsbezügen

Bei Versuchen kulturelle Unterschiede zu identifizieren und in ökonomischen Kontexten nutzbar zu machen sind im schlimmsten Fall zweierlei Tendenzen zu beobachten. Entweder werden unterschiedliche Kommunikationsstile, Verhaltensweisen oder Erwartungshaltungen als nicht weiter relevant bezeichnet. In der Regel geht dies mit dem Verweis auf etablierte ‚westliche’ Gepflogenheiten oder einer einheitlichen Geschäftssprache (Englisch) einher. Oder kulturelle Differenzen werden besonders hervorgehoben und dienen als „bequemes Kürzel“ (Moosmüller) für allerlei Erscheinungen, die sich anders offenbar nur schwer erklären lassen.
Mit Blick auf den chinesischsprachigen Kulturraum ist vor allem Letzteres zu beobachten. Chinesisches gilt hierzulande sei jeher als etwas gegensätzliches und völlig anderes – eine Vorstellung, die meist kulturhistorisch begründet wird und auch in der interkulturellen Forschung weitgehend etabliert scheint. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung kultureller Exzeptionalität in China weit verbreitet und zeigt sich eindrücklich in akademischen und populärwissenschaftlichen Diskursen über kulturelle Differenzen in ökonomischen Handlungsbezügen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen Expansion chinesischer Unternehmen.
Dieser Beitrag möchte am Beispiel des Chinesischen zeigen, dass sich die besondere Betonung kultureller Alleinstellungsmerkmale nur schwer solide begründen lässt und den produktiven Umgang mit kultureller Heterogenität erschwert. In Anlehnung an die translatorische Wende in den Kulturwissenschaften wird daher ein Verständnis von Kultur als Übersetzung vorgeschlagen, um auf diese Weise (a) das nationalcharakterliche Erbe Interkultureller Kommunikation zu überwinden und die wechselseitige Komplexität kultureller Zuschreibungen konzeptionell zu greifen (b) Fehlattributionen als Realität und soziale Tatsache zu beschreiben ohne dabei in arbiträre kulturhistorische Fallen zu laufen (c) Wege aufzuzeigen, wie man mit diesem sprichwörtlichen Kulturdurcheinander in der Praxis umgehen könnte.

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Prof. Dr. Shingo Shimada

Universität Düsseldorf

Theoretische Perspektiven zur Interkulturalität und kulturellen Diversität

„Kultur“ ist seit einigen Jahrzehnten zu einem politischen Schlagwort geworden. Es wird in vielen Bereichen die Wichtigkeit der Inter-, Multi- oder gar Transkulturalität hervorgehoben und es gilt politisch korrekt, wenn man die Vielfalt der Kulturen anerkennt. Es ist auch sicherlich zutreffend, wenn man die kulturelle Diversität in verschiedenen Praxisfeldern für wichtig nimmt und nach Lösungsansätze sucht. Doch ist die kulturtheoretische Annahme, die hinter diesen Schlagwörtern steckt, aus theoretischer Perspektive höchst zweifelhaft. Der Beitrag versucht, dieses Dilemma, das zwischen der Praxis und der Theorie zu verorten ist, aufzuzeigen und eine theoretische Lösung anzubieten.

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Dr. Anne-Christin Schondelmayer

Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, Freie Universität Berlin

Irritation und Verantwortung – Zugehörigkeiten, Zuschreibungen und Zuständigkeiten im Bereich interkultureller Bildung

Die Tagungsschwerpunkte „Interkulturalität“ und „kulturelle Diversität“ möchte ich auf der Ebene des handlungspraktischen Umgangs mit Irritationen diskutieren. Explizit geht es um die Frage, wie in interkulturellen Begegnungen differente Milieus aneinander anknüpfen können.
Der Moment von Handlungsunsicherheit angesichts fremder Selbstverständlichkeiten interessiert als Situation der Irritation habitueller Praktiken und verweist auf ein Erleben von Fremdheit. Welche Praxen sich an diese Irritation anschließen, gibt Auskunft über sich daraus eröffnende oder verschließende Bildungsprozesse sowie Differenz- und Abgrenzungskonstruktionen in interkulturellen resp. milieuübergreifenden Begegnungen.
Die Fokussierung auf Irritationen ist u.a. eine Antwort auf die Frage, was überhaupt als interkulturelle Situation verstanden werden kann, angesichts der Überlappungen von Lebensrealitäten über nationale und andere Trennungslinien hinweg. Wie Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus, die sich aufgrund spezifischer Praxen und impliziter Wissensformen nicht zwangsläufig verstehen, eine Konfrontation mit differenten Praxen erleben, Zugehörigkeit implizit und explizit selbst- und fremdzuschreiben und welche eigenen Handlungsmöglichkeiten gesehen werden, soll anhand empirischer Beispiele der interkulturellen Bildung und der Antidiskriminierungsarbeit aufgezeigt werden.
Neben der Rekonstruktion der Irritation von Selbstverständlichkeiten wird die Frage aufgegriffen, wie Zugehörigkeiten und Zuschreibungen alltagspraktisch und wissenschaftlich konzipiert werden. Darüber hinaus geht es auch um die Frage nach Zuständigkeiten und die Übernahme von Verantwortung in einer heterogenen Gesellschaft. Wer sich in welcher Form irritieren lässt und Verantwortung für ein kooperatives Miteinander in heterogenen Kontexten übernimmt, ist kritisch zu betrachten. Gleichzeitig geben empirische Beispiele potentielle Handlungsmöglichkeiten vor.

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Dr. Anne Schreiter

Universität St. Gallen

Zwischen Intuition und Kalkül - Kulturkonstruktionen in deutsch-chinesischen Arbeitsumgebungen

Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung Chinas rücken neben den damit verbundenen Chancen auch immer wieder Dissonanzen der „interkulturellen Kommunikation“ oder des „interkulturellen Managements“ in den Fokus von Wissenschaft und Praxis. In wissenschaftlichen Beiträgen (z.B. Griffith/Harvey 2001, Hofstede 2010, Tosi/Greckhamer 2004), aber auch in der eher praxisorientierten Ratgeber-Literatur (vgl. dazu z.B. Poerner 2009 zu chinabezogener Literatur) entspricht „inter-kulturell“ dabei häufig „inter-national“, es geht also vordergründig um länderspezifische Differenzen. Dies ist insofern nachvollziehbar, als dass sich die nationalen Systeme Deutschland und China deutlich unterscheiden. Erklären lässt sich die „Exteriorität“ (Jullien 2008: 8) und die damit oft einhergehende Alterität beispielsweise über historische und politische Eckdaten. Unterschiede bestehen jedoch nicht nur auf der Makroebene der Nationen, sondern auch auf der Meso- und Mikroebene, also im Bereich von Institutionen und Unternehmen bzw. zwischen Individuen. Der Beitrag untersucht die daraus entstehenden Wechselwirkungen mit Hilfe von qualitativen Interviews in deutschen KMU in China sowie in chinesischen Unternehmen in Deutschland.
Der Fokus liegt dabei auf den emischen Perspektiven der Akteure (a) auf Kultur im Sinne von Normalität, d.h. der Möglichkeit sozialen Routinehandelns durch Plausibilität, Fraglosigkeit und Orientierung, aber auch auf (b) kommunikativen Brüchen und Unterschieden. Dabei wird analysiert, wie solche subjektiven Deutungsmuster von Normalität und Differenzen im besonderen Kontext einer deutsch-chinesischen Arbeitsumgebung aussehen können und nach welchen Logiken Manager und Mitarbeiter es schaffen, normalitätsstiftende Arrangements durch Beziehungen herzustellen. Eine weitere Rolle spielt hier auch die Frage, inwieweit zusätzliche kulturelle Faktoren (also bspw. Generationen- oder Genderfragen) relevant sind bzw. sich im zeitlichen Verlauf verändern. Der Kontext ist zudem interessant, da die befragten Manager und Angestellten in nahezu allen Fällen ohne Vorgaben oder Strukturen damit konfrontiert waren, im Angesicht kultureller Differenzen ein funktionsfähiges Arbeitsumfeld zu schaffen. Deren intuitive Erfahrungen können letztendlich als Ausgangspunkt für Fragen zu Diversität als strategischem Instrument diskutiert werden.

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Prof. Dr. em. Adelheid Schumann

Didaktik der französischen und spanischen Sprache und Kultur, Universität Siegen

Zur Entwicklung interkultureller Kompetenz in der Hochschule

Interkulturelle Kompetenzen haben sich im Zuge der Internationalisierung der deutschen Hochschulen zu einer Schlüsselkompetenz für Studierende und Lehrende entwickelt. Um sie zu fördern, bedarf es einerseits einer kontextspezifischen Analyse der interkulturellen Kommunikation an Hochschulen und der Konzeptionalisierung studiumsbezogener interkultureller Kompetenzen, andererseits gezielter Trainingsmaßnahmen zum Aufbau einer cultural awareness bei allen an der akademischen Kommunikation Beteiligten.
Vorgestellt werden soll hier ein Trainingskonzept, das im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojektes MUMIS (Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium) entstanden ist. Im Zentrum standen dabei durch differente Akademische Kulturen bedingte Missverständnisse, die bei internationalen Studierenden zu Frustrationserfahrungen führen und negativen Einfluss auf den Studienerfolg haben können: differente Bildungserfahrungen und Bildungserwartungen, differente Lehr- und Lernstile sowie wissenschaftliche Arbeitsformen, differente Formen des interpersonalen Kontaktes zwischen Dozenten und Studierenden, differente Rollenerwartungen an Dozenten und Studierende etc. In dem Projekt ging es zunächst um die Identifizierung und Kategorisierung interkultureller Missverständnisse. Alle an der universitären Kommunikation beteiligten Personengruppen wurden zu ihren Fremdheitserfahrungen im internationalen Kontakt befragt (internationale Studierende / deutsche Studierende / deutsche Dozenten) und ihre zentralen Irritations-erfahrungen wurden in Form von kleinen narrativen Fallstudien, critical incidents, festgehalten.
Diese empirische gewonnenen critical incidents bilden die Grundlage eines Trainingsprogramms zur Entwicklung interkultureller Kompetenz in der Hochschule. Sie wurden im Sinne einer Anleitung zur Reflexion über interkulturelle Differenzen in der Hochschulkommunikation didaktisiert. Zu diesem Zweck haben wir perspektivische Fragen und verschiedene Übungsformen entwickelt, mit deren Hilfe die affektive, kognitive und handlungsorientierte Dimension eines Missverständnisses erfasst werden und die Polyvalenz interkultureller Kommunikation erfahrbar wird. Ziel des Trainings ist es:
Erkenntnisse zu übermitteln über Differenzen in Akademischen Kulturen,Diskussionen anzustoßen über individuelle und kollektive Ursachen von Missverständnissen,zu sensibilisieren für die verschiedenen Kommunikationsebenen, Reflexionsprozesse zu befördern über die kulturelle Bedingtheit der eigenen Wahrnehmung und Wertung, Handlungskompetenz zu entwickeln für den Umgang mit Missverständnissen in der Hochschule. Die Materialien sind online verfügbar (www.mumis-projekt.de/ci/) und können in Seminaren zur „Interkulturellen Kommunikation“ oder in hochschuldidaktischen Workshops eingesetzt werden.

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Prof. Dr. Anton Sterbling

Soziologie und Pädagogik an der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg/OL.

Interkulturalität, „weiche“ Normen und soziale Konventionen – Beobachtungen aus dem multiethnischen Banat

Soziologen legen in ihren Analysen großes Gewicht auf einen allgemeiner gefassten Begriff „sozialer Normen“, der neben den geltenden Rechtsnor­men auch spezielle Normen wie Gruppennormen, Rollennormen oder teil­kulturspezifische Normen einbezieht. Interessant ist dabei nicht nur, das Verhältnis „harter“, gesamtgesellschaftlich geltender Rechtsnormen und solcher „weicher“ Normen näher zu analysieren, sondern auch die Bezieh­ungen begrenzt geltender teilkulturspezifischer Normen in interkulturellen sozialen Lebens- und Handlungszusammenhängen genauer auszuleuchten. Dabei lassen sich neben solchen „weichen“ Normen auch andere sozialmo­ralische Wertvorstellungen und soziale Konventionen in die Betrachtungen einbeziehen.
Neben normativen Konflikten, die sich in solchen Analysen erkennen las­sen, gibt es in multiethnischen Gesellschaften und den für sie typischen Formen des interkulturellen Zusammenlebens auch wirksamen soziale Me­chanismen und allgemein akzeptierte Vorkehrungen, die im Hinblick auf die Geltung „weicher“ Normen zu einer Begrenzung und Einhegung mögli­cher normativer Konflikte beitragen. Dies soll in dem vorgesehenen Bei­trag allgemein, theoriebegründet dargelegt wie auch am Beispiel des Zu­sammenlebens im multiethnischen Banat exemplarisch illustriert werden.

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Univ.-Doz. Dr. Chibueze C. Udeani

Katholische-Theologische Privatuniversität Linz

Interkulturelle Hermeneutik – Ein philosophisch-kommunikativer Ansatz zum Interkulturalitätsdiskurs in der Wissenschaft

Multikulturalität ist eines der prägendsten Merkmale unserer Zeit. Spätestens seit das ambivalente Phänomen der Globalisierung sich seinen Platz in unserem Wahrnehmungshorizont erkämpft hat, ist klar, in welcher Komplexität und Brisanz Multikulturalität zur gesellschaftlichen und individuellen Herausforderung geworden ist.
Wissenschaft verfolgt das Ziel Verstehen auf unterschiedlichste Lebensbereiche und Themen hin auszuweiten und zu vertiefen. Insofern kann Wissenschaft als hermeneutisches Unterfangen gedeutet werden. Bei der klassischen Hermeneutik liegt der Fokus weitgehend im Bereich des Erschließens von Texten und Kunst im westlichen Kulturkreis. Vor dem Hintergrund der Multikulturalität im Wissenschaftsgeschehen bedarf es mehr als einer klassischen Hermeneutik. Die Wissenschaft selbst befindet sich in einem stetigen Prozess des Wandels, in dem sich auch ihre bevorzugten Interessen je neu positionieren. Hinsichtlich der kulturellen Situation der Gegenwart stellt sich für die Wissenschaft u.a. folgende Frage: Welchen Beitrag ist sie bereit und fähig auf der Basis ihrer Kompetenzfelder in die Gesellschaften einzubringen?
Um einen maßgeblichen Beitrag innerhalb der multikulturellen Gesellschaften leisten zu können, ist es für die Wissenschaft unabdingbar, einen Interkulturalitätsfokus zu entwickeln. Dieser entfaltet sich u.a. auf der Basis der markanten und mehrfachen Pendelbewegung der Forschenden zwischen Eigenem bzw. Vertrautem auf der einen Seite und Fremdem bzw. zu Erforschendem auf der anderen Seite. In der aufmerksamen und zugleich reflektierten Grenzüberschreitung zwischen diesen beiden Polen vermag wissenschaftliches Verständnis zu wachsen. Diese Vorgehensweise basiert auf den Grundlinien einer interkulturellen Hermeneutik, die sich der Fremdartigkeit dessen, worüber es Verständnis zu erlangen gilt, in besonderer Weise bewusst ist und ihr zusätzlichen Raum gibt.
Wer Wissenschaft auf der Basis einer interkulturellen Hermeneutik betreibt, wirft stets die Frage auf, wie Verstehensprozesse über kulturelle Grenzen hinweg angelegt werden können. Auch wenn diese Verstehensprozesse „unter den natürlichen Bedingungen von Missverständnissen, Verständnisblockaden und Verstehensanstrengungen“ verlaufen, verspricht das Instrumentarium einer interkulturellen Hermeneutik sachdienliche Orientierung und Anregung.

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Dr. Isabella Waibel

Institut für Interkulturelle Kommunikation, LMU München

Diversitätsgerechte Entwicklungen an Hochschulen aus der Perspektive ehemaliger internationaler Studierender der LMU und der TU München

In der Diskussion um die Stärkung der Internationalisierung der Hochschulen wird der hohe Stellenwert der (kulturellen) Diversität hervorgehoben. Durch moderne Gesetzesreformen und internationales Hochschulmarketing soll Deutschland als Zielland der weltweiten Mobilitätsströme für internationale Studierende (noch) attraktiver werden. Diversität wird demnach als kulturelle Vielfalt und Reichtum an personalen Ressourcen definiert, die den Hochschulen Wettbewerbsvorteile verschafft. Trotz der steigenden Zahlen der internationalen Studierenden im tertiären Bildungsbereich fehlt es weiterhin an zukunftsweisenden Strategie- und Profilkonzepten zur Integration der Diversität in die (verschiedenen) Hochschulkonzepte. Es herrscht keine Einigkeit darüber, wie Lehr-Lernangebote, Betreuung und Beratung „diversitätsgerecht“ zu gestalten seien, was auch die Frage nach dem Stellenwert der Interkulturalität betrifft. Der Vortrag widmet sich den Bildungsausländer-Studierenden an deutschen Hochschulen und der Frage, ob die deutschen Hochschulen ausreichend dem Umstand Rechnung tragen, dass – laut einer aktuellen Studie − ein Großteil ihrer internationalen Studierenden nach dem Studienabschluss nicht in Deutschland verbleiben will.
Im Rahmen des Vortrags wird ein Konzept für eine empirische Untersuchung vorgestellt, mit der erstmals die Bedingungen des Studiums sowie die Beratungs- und Betreuungsangebote aus Sicht ehemaliger internationaler Studierender deutscher Hochschulen am Beispiel der LMU München und der TU München beleuchtet werden. Mit den beiden Münchner Universitäten werden Hochschulen in den Blick genommen, für die internationale Ausrichtung ein erklärtes Anliegen ist und (kulturelle) Diversität ressourcenorientiert betrachtet wird. Dabei soll auch den Fragen nachgegangen werden, welche praktischen (Diversity-)Maßnahmen dazu beitragen können, einerseits mit den Herausforderungen von kultureller Heterogenität an den Hochschulen fertig zu werden und anderseits das (kulturelle) Potenzial dieser Gruppe für die Wissenschaft und Gesellschaft zu nutzen.

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Prof. Dr. Stephan Wolting

Adam-Mickiewicz-Universität Poznań

„Die Veranstaltungen der ausländischen Dozenten sind ganz anders...“ Anderer Stil – Falscher Stil - Schlechter Stil? Überlegungen zum akademischen Kommunizieren in unterschiedlichen kulturellen Kontexten

In den letzten Jahren ist wiederholt auf die noch zu leistende Selbstreflexion des Forschungsbereichs Interkulturelle Kommunikation hingewiesen worden. Zugleich sind neben der Interkulturalität neue Konzepte wie Transkulturalität, Diversität, Fuzzy o.ä. etc. immer stärker in den Fokus gekommen. Was liegt nun näher als die Interaktionsformen, Rollenerwartungen, Rollenübernahme und nicht zuletzt den interkulturell hermeneutischen Ort des akademischen Lehrenden, selbst zum Gegenstand der Betrachtung zu machen?
Nicht zuletzt soll in diesem Zusammenhang der linguistisch nicht unumstrittene, aber dennoch in der Forschung frequent gebrauchte Begriff des kommunikativen Stils eine Rolle spielen. Bourdieu setzt den Begriff „Stil“ in direkten Zusammenhang mit Formen des Habitus und der Bildungssozialisation. Unter Berücksichtigung seiner Vorstellungen des symbolischen wie ökonomischen Kapitals soll innerhalb des Beitrags versucht werden, kulturelle Unterschiede im Selbstverständnis von an Universität Lehrenden herauszuarbeiten. Sowohl theoretische (Selbst) Konzepte als auch konkrete Interaktionsformen im akademischen Milieu spielen hierbei eine Rolle (etwa unterschiedliche kulturelle Erwartungen an einen Gastvortrag etc.).
Dabei soll sich auf (noch) nicht repräsentative Umfragen am Institut für Angewandte Linguistik der Universität Poznań (siehe Zitat einer Studentin im Titel) im Hinblick auf den deutsch-polnischen akademischen Kontext bezogen werden, wobei andere Kulturen durchaus mit in den Blickpunkt genommen werden (Erasmus- oder andere Austauschprogramme, Erfahrungsbeschreibungen), insoweit also „anschlussoperativ“ ist.
In diesem Kontext werden nicht zuletzt andere kulturelle Muster, unterschiedliche kulturelle Bildungstraditionen und Interaktionsmuster in den Blickpunkt geraten, deren Exponierung, Reflexion und Bewusstseinsmachung im Idealfall zur Verbesserung der Lehre, im Sinne einer Relativierung des eigenen Ausgangspunkts und der Operationalisierung der vorgestellten Ergebnisse, dienen könnten.

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Prof. Dr. Erol Yildiz

Fachgebiet Interkulturelle Bildung, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Diversity Compass

In allen gesellschaftlichen Bereichen sind Migration und migrationsgeprägte Diversität zu einem zentralen Thema geworden. Vor allem Institutionen vor Ort sind von diesen Entwicklungen betroffen und versuchen mit Ad-hoc-Maßnahmen darauf zu reagieren. Die bisherigen Konzepte in diesem Bereich sind oft defizitorientiert, korrespondieren kaum mit den Lebenswirklichkeiten der Betroffenen. Es fehlt an einer lebendigen, lernmotivierenden, offen austarierten Korrespondenz zwischen institutionellen Realitäten und den konkreten Alltagswirklichkeiten. Das hier vorgestellte Konzept Diversity Compass geht davon aus, dass es unabdingbar ist, (migrationsbedingte) Vielfalt als eine zentrale Gestaltungsaufgabe wahrzunehmen. Das kann nur mit integrativen und diversitätsbewussten Konzepten erreicht werden, die die Bedeutung von Mehrfachzugehörigkeiten und hybriden Lebensentwürfen von Menschen als Normalität anerkennen. An diesem Punkt setzt das Konzept Diversity Compass an und versucht dazu beizutragen, ein entsprechendes Diversitätsbewusstsein im institutionellen Setting zu erzeugen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Sichtweise, in der nur die „Anderen“ als Indikatoren von Diversity gesehen werden, geht es hier um die eigene Biographie. Das Motto ist: „Wir sind selbst ein Ergebnis von Diversität. Durch die Visualisierung der Biographie soll sichtbar gemacht werden, dass die individuellen Lebensentwürfe ein Produkt von Bewegung, Diversität in unterschiedlichen Ausprägungen sind (Biographieprotokolle). Durch den Fokus auf vielfältige Biographien und die damit verbundenen Kompetenzen soll das vorhandene „Ordnungsdenken“ aufgebrochen und ein anderes Diversitätsbewusstsein erzeugt werden.


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